DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR PSYCHOLOGISCHE SCHMERZTHERAPIE UND -FORSCHUNG E.V.

HERAUSFORDERUNG SCHMERZ

Nach vorsichtigen Schätzungen leiden in der Bundesrepublik ca. 10 Mio. Menschen unter dauerhaften behandlungsbedürftigen Schmerzen. Das sind Schmerzen, die z.B. nach einer Erkrankung oder Operation über den zu erwartenden Heilungsprozess hinaus anhalten und unter Fachleuten als chronische Schmerzen bezeichnet werden. Hinsichtlich der Schmerzlokalisation stehen Rückenschmerzen an erster Stelle, gefolgt von Kopfschmerzen, Unterleibsschmerzen, Brust- und Gesichtsschmerzen.

Viele der Betroffenen leiden vor allem unter zunehmenden körperlichen Einschränkungen im Alltag, unter depressiver Stimmung, angstvollen Gedanken, Schlafstörungen und verminderter Konzentration.

Die Folgen für das Gesundheitssystem und auch die volkswirtschaftlichen Kosten sind unübersehbar: Allein Rückenschmerzen sind seit Jahren der häufigste Grund für eine vorzeitige Berentung und sind die häufigste Ursache für stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahmen. Nach ersten Schätzungen verursachen allein Rückenschmerzen in Deutschland Kosten von 25 Mrd. Euro/Jahr (Spiegel 36/2008). Davon sind etwa 10 Mrd. Behandlungskosten. Den Löwenanteil der Kosten  verursachen  Krankengeld, Arbeitsausfall und Frühberentung.

Jährlich werden in Deutschland mehr als 150 Millionen Schachteln an Schmerzmittel verkauft (Der Spiegel 36/2008). Sie gehören damit zu den am meisten verordneten Medikame-tengruppen. Nach Einschätzung von Experten kann ein langjähriger Gebrauch von Schmerzmittel zu schweren Nierenschäden führen.

Da der akute Schmerz in den meisten Fällen nach kurzer Zeit zurückgeht, muss sich die Aufmerksamkeit auf die frühzeitige Erkennung von Patienten richten, die ein hohes Risiko für chronische Schmerzen aufweisen. Langzeitstudien zeigen, dass vielfältige Faktoren an der Chronifizierung beteiligt sind, wobei bio-medizinische, psychologische und soziale Aspekte gleichzeitig berücksichtigt werden müssen.

Die beste Vorhersage ist dabei anhand psychologischer Risikofaktoren möglich. Mehr als 80% der Patienten, die chronische Schmerzen entwickelten und nicht mehr an den Arbeitsplatz zurückkehrten, waren Menschen mit einer depressiven Stimmungslage, permanenten Alltagsbelastungen und Konflikten in Beruf und Familie sowie ungünstigen Formen der Schmerzbewältigung.

Zum risikohaften Schmerzverhalten zählten einerseits ein ausgeprägt ängstliches Schon- und Vermeidungsverhalten, andererseits ein extrem entgegen gesetzter Durchhaltewille mit der damit oft verbundenen Schwierigkeit sich zu entspannen.

Dem amerikanischen Arzt John Bonica ist es zu verdanken, dass dem chronischen Schmerz ein eigener Krankheitsstatus zugestanden wurde. Er gründete schon 1953 die erste auf Schmerzen spezialisierte Klinik der Welt. In der Zwischenzeit wurden auch in Deutschland auf Schmerz spezialisierte Abteilungen oder Ambulanzen eingerichtet.

Als die ersten dieser Ambulanzen ihre Pforten öffneten, strömten die Schmerzpatienten hoffnungsvoll dorthin. Sie waren mit der Erwartung gekommen, hier eine schnelle Lösung ihrer Schmerzprobleme zu finden. Doch die Behandlung chronischer Schmerzen bedarf eines langen Atems. Bereits die Suche nach möglichen Schmerzursachen ist oft ein mühevoller Weg. Kopf- und Rückenschmerzen beispielsweise können fast achtzig verschiedene Ursachen haben.

Dem Arzt, der zunächst viele Fragen stellt und nicht gleich mit der Behandlung beginnt, begegnet der Schmerzpatient oft – verständlicherweise – mit drängender Ungeduld. Erst recht, wenn er dem Patienten eröffnet, dass er sich auch die Meinung eines auf Schmerz speziali-sierten Psychologen einholen möchte.
Der Arzt hat fast keine andere Wahl, als schnell zu handeln. Schmerzmittel werden im Zeitalter der ganzheitlichen Schmerzbehandlung nicht überflüssig. Doch sie werden in Zukunft mehr und mehr zu begleitenden und unterstützenden „multimodalen“ (vielgestaltigen) Behandlungsbausteinen neben Schmerzbewältigungsstrategien, Entspannungsübungen, Stressbewältigungsverfahren, physikalischen und manuellen Therapiemethoden, aber vor allem auch aktivierenden Therapieansätzen.

Auch die Schmerztherapie kennt ihre Grenzen. Mit dem Schmerz zu leben und nicht gegen ihn – kann dann auch ein Ziel. der modernen Schmerztherapie sein. In diesem Zusammenhang heißt dann „Schmerzakzeptanz“, Möglichkeiten zu finden, von Schmerz nicht vereinnahmt zu werden und dennoch ein zufrieden stellendes Leben zu führen.
Dabei kann ein auf Schmerz spezialisierter Arzt und Psychologen helfen. 
Autor: Hans Günter Nobis