DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR PSYCHOLOGISCHE SCHMERZTHERAPIE UND -FORSCHUNG E.V.

BAUCHSCHMERZEN

1. Beschreibung des Störungsbildes

Chronische (Unter-)bauch- und Beckenschmerzen werden zu den viszeralen Schmerzen, d.h. den Schmerzen der inneren Organe gezählt. Ab einer Dauer von ungefähr 6 Monaten wird von chronischen viszeralen Schmerzen gesprochen. Sie entstehen - wie andere chronische Schmerzen auch - durch ein komplexes Zusammen­spiel biologischer, psychologischer und sozialer Faktoren. Über 20% der Weltbevölkerung lei­den unter chronischen viszeralen Schmerzen.

Auf biologischer Ebene können chronische Entzündungen, gefäßbezogene Mechanismen und mechanische Faktoren zur Entstehung viszeraler Schmerzen beitragen. Auch ohne sichtbaren Befund auf der biologischen Ebene kann es zu Schmerzen im (Un­ter-)bauch- und Beckenbereich kommen. In diesem Fall wird von chronischen primären (im Gegensatz zu sekundären) viszeralen Schmerzen gesprochen. In beiden Fällen sind sowohl biologische als auch psycho-soziale Aspekte relevant, um die Schmerzen adäquat verstehen und behandeln zu können. Beispielsweise wirkt sich Stress erwiesener­maßen auf muskuläre Anspannung, Hormonsystem, Immunsystem und die Wahrnehmung von Schmerzen aus, was alle Arten viszeraler Schmerzen beeinflusst.

Im Englischen werden häufig die Begriffe „abdominal pain“ (dt. Bauchschmerz) und „pelvic pain“ (dt. Becken- oder Unterbauchschmerz, incl. Genital-Schmerz) verwendet. Im Folgenden ist mit „(Unter-)bauch- und Beckenschmerz“ die Gesamtheit dieser beiden englischen Kate­gorien gemeint.

Erkrankungen, die oft mit chronischen (Unter-)bauch und Beckenschmerzen einhergehen sind beispiels­weise:

  • Endometriose
  • Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Krohn oder Colitis Ulcerosa
  • Reizdarmsyndrom
  • Chronische Pankreatitis
  • Interstitielle Zystitis und schmerzhaftes Blasen-Syndrom
  • Chronische Urethritis
  • Chronische Vaginitis
  • Chronische Prostatitis
  • und andere

2. Psycho-soziale Aspekte bei (Unter-)bauch- und Beckenschmerzen

(Unter-)bauch- und Beckenschmerzen betreffen sensible und intime Bereiche des Körpers. So sind beispielsweise Verdauung und Sexualität bei chronischen (Unter-)bauch und Becken­schmerzen oft beeinträchtigt.

Vor diesem Hintergrund erleben es Menschen mit chronischen (Unter-)bauch und Becken­schmerzen oft als schwierig, über ihre Beschwerden zu sprechen. Empfindungen im Körper-inneren differenziert wahrzunehmen und beispielsweise deren Lokalisation oder Qualität ge­nau in Worte zu fassen, stellt eine große Herausforderung dar. Zusätzlich können Scham­gefühle und das Tabuisieren bestimmter Themen (wie z.B. Sexualität, Wasserlassen, Stuhl­gang oder Erbrechen) als Hemmschwelle hinzukommen. Gesundheitsfachpersonen reagieren unter Umständen selber überfordert, indem sie diesen Themen uneinfühlsam, grenzüber­schreitend oder vermeidend und ausweichend begegnen.

Auch werden die Schmerzen (z.B. im Kontext von Menstruationsbeschwerden) noch immer oft bagatellisiert.

Betroffene machen daher in ihrer Schmerzgeschichte häufig die Erfahrung, nicht genügend ernst genommen und verstanden zu werden.

Zusammenhänge zwischen biologischen und psycho-sozialen Faktoren spielen bei (Unter-)bauch- und Beckenschmerzen - wie auch bei chronischen Schmerzen im Allgemeinen - eine große Rolle. So können Schmerzen beispielsweise die Stim­mung beeinträchtigen, welche ihrerseits das Schmerzerleben beeinflusst. Rückzug und zu viel körperliche Schonung führen langfristig zu einer Abnahme körperlicher Fitness, was ebenfalls Schmerzen begünstigt. Auch emotionale Anspannung (beispielsweise im Zusammenhang mit Angst oder Wut) geht mit körperlichen Reaktionen einher, die oft schmerzverstärkend sind.

Traumatische lebensgeschichtliche Erfahrungen erhöhen das Risiko, Schmerzen im Unter­bauch- und Beckenbereich zu entwickeln. Dies ist ein wichtiger und zugleich hoffnungserweckender Aspekt, da er helfen kann, wirksame Therapieansatzpunkte zu finden.

3. Psychotherapeutische Ansätze bei (Unter-)bauch- und Beckenschmerzen

Eine Vielzahl psychotherapeutischer Verfahren steht für die Behandlung von (Unter-)bauch und Beckenschmerzen zur Verfügung. Die Therapie kann im Einzel- oder Gruppensetting durchgeführt werden und u.a. folgende Elemente beinhalten:

  • Das Erlangen von Wissen über chronische Schmerzen und deren Bewältigung
  • Das Einnehmen einer aktiven und selbstwirksamen Rolle im Umgang mit den Schmerzen
  • Das Entwickeln von Schmerz- und damit Selbstakzeptanz
  • Das Stärken von Selbstfürsorge und Selbstmitgefühl
  • Das Fördern von Körper- und Emotionswahrnehmung
  • Stressbewältigung
  • Entspannungstechniken wie die progressive Muskelrelaxation oder autogenes Trai­ning
  • Achtsamkeitsbasierte Schmerzbewältigung
  • Hypnose
  • Dosierte Aktivität, d.h. das Aufbauen von Aktivitäten und Bewegung, ohne sich zu überfordern
  • Das bewusste Verändern von Gedanken und Überzeugungen in eine hilfreiche Rich­tung
  • Psychotherapie bezüglich Sexualität, u.U. Paartherapie, Sexualberatung
  • Verschiedene traumatherapeutische und weitere psychotherapeutische Ansätze
  • Positive Psychologie und das Fördern psychischer Ressourcen

Autorin: Julia Kaufmann